Eine Zeitreise
Zu einer Zeit, da Freiberg ein „zweytes Berggeschrei“ erlebte, eine Stimmung des geistigen Aufbruchs und wirtschaftlichen Aufschwungs das Land erfasste und Bildung immer mehr zum Bedürfnis wurde, ließ es sich das Bürgertum nicht nehmen, eine eigene Schule zu gründen. Diese, inzwischen 500 Jahre alt und als „Geschwister – Scholl – Gymnasium“ nicht nur Freibergern bekannt, zählt neben der Kreuzschule, der Thomasschule und der Ratsschule Zwickau zu den ältesten höheren Bildungseinrichtungen Sachsens.
Wie die Schulgründung ist auch der Aufbau der Bibliothek in den ökonomischen, geistigen und kulturellen Kontext der Entstehungszeit einzuordnen. Freiberg und sein Umland waren katholisch, Tetzel verkaufte 1507 mit Erfolg Ablasszettel und die katholische Priesterschaft zelebrierte 1516 geistliche Spiele auf dem Obermarkt der Stadt.
Das änderte sich mit der offiziellen Einführung der Reformation im „Freiberger Land“ durch Herzog Heinrich den Frommen (1473-1541), dem Bruder des in Dresden regierenden katholischen Georg. Domstift und Klöster wurden aufgelöst, die Bücher der Dominikaner, der Franziskaner, des Jungfrauenklosters und des Collegiatstifts in ein Gewölbe der Domkirche geschafft. Der größte Teil dieses Bestandes ging im Mai 1565 in einem festlichen Akt an die Lateinschule, die das Gebäude des ehemaligen Domstifts, das jetzige Stadt- und Bergbaumuseum am Untermarkt, bezogen hatte. In erster Linie handelte es sich um Bestände des 1233 gegründeten Klosters der Dominikaner und des vermutlich im gleichen Jahr entstandenen Franziskanerklosters sowie des 1480 gebildeten Domstifts. Die Bücher des Jungfrauenklosters blieben in kirchlichem Besitz.
Transferieret in das hinderste Auditorium“, so der Stadtchron ist Andreas Möller (1598-1660), wurde die Bibliothek erstmals 1578 durch den Rektor neu inventarisiert.
Erste Aufzeichnungen ergaben zwar nur 736 Bände, doch dafür „etliche uhralte denkwürdige Stücke“, unter anderem gedruckt von Peter Schöffer, der sein Handwerk in der Werkstatt.
In den folgenden Jahren unterlag die Bibliotheksentwicklung zahlreichen Schwankungen, über Jahre war sie sogar gänzlich geschlossen.
Als 1630 Andreas Möller zusammen mit Georg Platner das Amt des Bibliothekars übernahm und 967 Bücher ihrer Obhut anvertraut wurden, fand ein zwanzigjähriger „Dornröschenschlaf“ der Schulbibliothek ein Ende.
Allein 1631 war es möglich, 53 Bände zu erstehen und 1644 erfolgte ein Zuwachs von 94 Bänden aus der Bibliothek des kursächsischen Kanzlers Georg Cracau (1525-1575).
„In der Kunst liegt das Zeitlose, nicht das Zeitgemäße.“ H. Hesse
Auch wenn es, wahrscheinlich finanziell bedingt, Veräußerungen gab, so wurde 1644/45 beschriebenes Pergament als Makulatur an Buchbinder inner- und außerhalb Freibergs verkauft, weitere kostbare Stücke zwischen 1776 und 1801, das traurige Schicksal der Vernichtung blieb unserer Bibliothek erspart.
Ein breites Fächerspektrum umfassend weisen die Kataloge heute eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Handschriften aus, darunter Pergament- und Papierhandschriften aus dem Mittelalter.
Über 500 Inkunabeln, auch Wiegendrucke genannt, darunter viele Stücke, die durch ihre drucktechnische und sonstige Ausstattung (Initialen, Miniaturen, Randleisten, Holzschnitte, Einbände) bestechen, 1754 Frühdrucke sowie Drucke des 17. und 18. Jahrhunderts runden den historischen Altbestand ab.
Wenn in nächster Zeit unser Codex und ein völlig zerlesener Band der 1543 gedruckten und mit handschriftlichen Eintragungen Luthers versehenen Psalmen restauriert werden können, sei dafür ganz herzlich Dr. Michael Eßlinger und seinen Geburtstagsgästen gedankt! Seine Gäste folgten in großzügiger Weise dem „Aufruf“ des Jubilars und seiner Frau, anstelle von Geschenken unsere fast 450 Jahre alte Schulbibliothek zu bedenken.
Entstanden aus humanistischem Geist haben sich Generationen um die Bibliothek verdient gemacht, mit Fleiß und Akribie für ihre Erhaltung gesorgt, radikale Eingriffe abgewehrt, ihre Bestände erforscht und vermehrt.
Bibliotheksleiter, stellvertretend seien Dr. Paul Krenkel, Hellmut Döring und Hans-Christian Neumann genannt, ließen sich in ihrem Tun und Handeln davon leiten, dass „Bücher Brot sind, deren der Mensch bedarf“.
„GLÜCK AUF!“ und „Herzlich Willkommen!“ im Albertinum
V.f.d.I.: V.Bannies